Interview mit Jenny Jaumann
Heute haben wir Jenny Jaumann von mehrWERT Webdesign im Interview zu Gast. Sie ist selbständige Webdesignerin mit einer spannenden beruflichen Reise. Von einer Karriere im Marketing und Vertrieb führte ihr Weg über die Selbstständigkeit bis hin zur Festanstellung. Jenny teilt mit uns ihre Erfahrungen, Herausforderungen und wertvolle Tipps für andere Webdesignerinnen.
Steffi: Liebe Jenny, magst du uns ein wenig über deinen Hintergrund und wie du zum Webdesign gekommen bist, erzählen?
Jenny: Ja klar, gern. Ich bin ursprünglich mit einer Ausbildung zur Industriekauffrau ins Berufsleben gestartet und hab berufsbegleitend BWL und Wirtschaftspsychologie studiert. In Festanstellung war ich vor allem im Vertriebsinnendienst und in einer Firma als Marketing Managerin angestellt.
2018 kündigte ich dann meine letzte Festanstellung. Zu dem Zeitpunkt war ich aus verschiedenen Gründen beruflich extrem unzufrieden und sah in einer weiteren Festanstellung keine Zukunft mehr. Der für mich einzig richtige Weg damals war der Weg in die Selbstständigkeit.
Um mit meinem Online Business zu starten, erstellte ich mir direkt meine erste eigene WordPress-Website. Mein erster größerer Auftrag kam zudem von einem Kunden, den ich bei der Betreuung mehrerer WordPress-Websites unterstützen sollte. So war ich von Stunde Eins an nicht nur mit meinem eigene Business sondern auch für Kund*innen in WordPress unterwegs.
Außerdem bot ich zu Beginn meiner Selbstständigkeit vor allem Online Marketing Support an: Copywriting, Blogbetreuung (also Contentplanung, Contenterstellung, Verwaltung von Texter*innen, etc.), Social Media- und Newsletter-Marketing, usw. Ich hatte verschiedenste kleine Kund*innen und mit jedem*r Kund*in durfte ich mehr lernen und mich weiterentwickeln.
Anfang 2021 entschied ich mich dann dazu, dem „Bauchladen“-Dasein Lebewohl zu sagen. Ich wollte nicht mehr von vielem ein bisschen machen, sondern mich auf die eine Sache fokussieren, die ich am liebsten machte und darin wirklich Expertin werden. Das war das Webdesign.
Steffi: Wie waren die Jahre als Vollzeit-Webdesignerin für dich? Gab es bestimmte Herausforderungen oder Höhepunkte, die du teilen möchtest?
Jenny: Höhepunkte waren vor allem einzelne Kund*innen, die ich teilweise super intensiv bei der Erstellung ihrer Website und auch ihres Brandings begleiten durfte. Eine Website zu erstellen ist einfach so viel mehr als nur ein paar Bildchen und ein bisschen Text in Technik zu verpacken. Da geht es ums wirkliche Hinschauen: Was ist die Essenz deines Business? Was ist Dein Warum? Wem hilfst du mit deiner Arbeit und was bewegst du für die Menschen, denen du hilfst, wirklich?
Ich hatte in der Vergangenheit bereits wirklich tolle Menschen und Businesses, die ich begleiten und mit denen ich gemeinsam ihr Business ent-wickeln und ihre Websites entstehen lassen durfte. Da ist dann nicht nur mein*e Kund*in stolz und berührt, wenn ihre Website endlich live geht, sondern auch ich.
Als größte Herausforderung für mich hat sich der Wechsel von vielen wiederkehrenden Arbeiten hin zu einzelner Projektarbeit herausgestellt. Blogbeiträge, Social Media Posts, Newsletter – die wollen jeden Monat erstellt werden. Dafür hatte ich wenige feste Kund*innen, die ich aber teilweise jahrelang betreut habe. Bei der Erstellung von Websites ist das anders: wenn eine Website mal veröffentlicht ist, ist der Großteil der Arbeit erstmal getan. Klar will eine Website weiter gewartet und manche auch regelmäßig ergänzt werden, aber das Hauptgeschäft bei mir lief über das Launchen oder Relaunchen von Websites.
Und dafür regelmäßig Marketing zu machen und Kund*innen zu generieren, hat sich für mich als größte Herausforderung herausgestellt.
Steffi: Hat dich das dazu bewegt, von der freiberuflichen Tätigkeit in eine Festanstellung zu wechseln?
Jenny: Unter anderem, ja. Durch verschiedene Investitionen in den letzten Jahren hatte ich meinen finanziellen Puffer aufgebraucht und stand dadurch finanziell gegen Ende ziemlich unter Druck.
Außerdem sind wir Ende 2022 von Hannover nach Berlin gezogen. Und wenn ich die Jahre davor (vor allem seit Corona) schon einsam im Home Office war, dann seit unserem Umzug nur noch mehr. Ich hatte hier noch keine Freundschaften und der Großteil meiner Zeit war mit Arbeit oder Sport gefüllt. 2023 ging es mir entsprechend echt schlecht.
Und dazu kam, dass Anfang 2023 ein entscheidender Perspektivwechsel bei mir stattfand:
Während ich mich 2018 bewusst selbstständig gemacht habe, um alles selbst entscheiden und umsetzen zu können, war ich 2023 so müde vom ewigen Allein-Entscheiden und Alles-Alleine-Machen. Wenn du dir kein Team aufbaust, machst du in der Selbstständigkeit alles selbst: Buchhaltung, Produktentwicklung, Kundenbetreuung, Produktion, Marketing, etc. Irgendwie konnte ich das auch alles, aber der Großteil davon machte mir keinen Spaß.
Da kam mir der Gedanke: Wie smart sind eigentlich Unternehmen? Da tut sich eine Gruppe von Menschen zusammen: Einige sind hervorragend mit Zahlen und lieben Buchhaltung. Andere sind Social Media Profis und haben Spaß daran, solche Art von Content zu erstellen. Und ich könnte mich auf das konzentrieren, was ich am liebsten mache: Websites erstellen!
Steffi: Wie hast du den Übergang von der Selbstständigkeit zur Festanstellung erlebt? Welche Unterschiede hast du bemerkt?
Jenny: Ich hatte das wahnsinnig große Glück, an ein Unternehmen zu kommen, bei dem ich super frei und flexibel arbeiten kann. Ich kann in unser Berliner Büro gehen, wenn ich das möchte, kann aber auch die ganze Woche im Home Office arbeiten. Ich hab flexible Arbeitszeiten und mir wird vertraut, anstatt zu micromanagen.
Entsprechend war mein Übergang extrem smooth. Anders wäre es für mich aber glaube ich auch nicht gegangen.
Zwei wirklich positive Unterschiede: ich habe wirklich tolle Kolleg*innen und Vorgesetzte. Ich geh super gerne ins Büro und es tut mir sooo gut, wieder enger mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und Aufgaben und Entscheidungen auch abgeben zu können. Außerdem genieße ich die finanzielle Sicherheit extrem: es ist so beruhigend zu wissen, dass am Monatsende immer genug Geld auf mein Konto kommt und meine Ausgaben gedeckt sind.
Und was mir bei diesem Wechsel auch total geholfen hat, war der WWC. Ihr im Club wart mit die Ersten, die von meiner Veränderung erfahren haben. Und ehrlich gesagt hatte ich etwas Angst vor eurer Reaktion: bin ich dann irgendwie „raus“ oder verurteilt ihr mich irgendwie, weil ich nicht mehr zu den „Vollzeit-Selbstständigen-Webdesignerinnen“ gehöre? Aber das komplette Gegenteil war der Fall: eure Reaktionen waren so offen, neugierig, verständnisvoll und positiv. Das hat mir diese Veränderung wirklich erleichtert und mir eine gewisse Sicherheit und Beständigkeit gegeben. Ich bin super happy, dass ich trotz Festanstellung weiterhin fester Teil der Webdesign Women bin und wir uns wie gewohnt täglich im Club Office mit Gesellschaft und Austausch unterstützen!
Steffi: Kannst du uns einen typischen Arbeitstag als festangestellte Webdesignerin beschreiben?
Jenny: Tatsächlich ähnlich wie in der Selbstständigkeit: ich logge mich morgens ein, checke meine Aufgaben für den Tag und setze dann um. Ich bin meist vier Tage die Woche im Home Office und einen im Büro. Also im Home Office hat sich nicht viel verändert. Die Bürotage hingegen werden einfach bereichert durch den Austausch und das Zusammensein mit meinen Kolleg*innen.
Steffi: Wie vereinbarst du die den Vollzeitjob mit deiner Selbständigkeit? Hast du deine Angebote geändert?
Jenny: Das ist tatsächlich eine kleine Herausforderung, die ich aber gerne stemme. Ich will mein Business auf jeden Fall weiterführen, dafür steckt da zu viel Zeit, Energie und Liebe drin. Aber meine Kapazitäten sind natürlich sehr begrenzt. Entsprechend lang sind manche Arbeitstage oder manche Wochenenden sehr zeitintensiv. Der große Unterschied ist: ich kann mein Business mit 100 % Leichtigkeit führen. Alles, was ich mache, mach ich, weil ich Lust darauf habe, nicht, weil ich es muss, um davon zu leben.
Ich kann aktuell natürlich keine individuellen großen Websites mehr umsetzen, aber tatsächlich hat mir die Festanstellung die innerliche Ruhe und finanzielle Sicherheit gegeben, um mich auf die Entwicklung neuer Angebote zu konzentrieren.
Es war nämlich schon lange mein Traum, kostengünstigere Produkte für Kund*innen zu entwickeln, die sich keine individuelle 1:1 Zusammenarbeit mit einer Webdesignerin leisten können. Ich wollte schon lange Website-Templates und ein Workbook für Website-Texte rausbringen, aber hatte in der Vollzeit-Selbstständigkeit nie die Zeit dazu, weil ich da auf Projekte angewiesen war, die direkt Umsatz generierten.
Jetzt konnte ich aber beides die letzten Monate endlich in Ruhe nebenher entwickeln und testen und bin gerade dabei alles zu launchen. Mein WEBSITEtexte Workbook gibt es bereits. Meine Templates kommen im September 2024.
Steffi: Welche Ratschläge würdest du anderen Webdesignerinnen geben, die an einem ähnlichen Punkt stehen?
Jenny: Zunächst einmal, und das ist das Allerwichtigste:
- Der Wechsel in eine Festanstellung ist kein Scheitern oder ein „Schritt zurück“, es ist einfach eine Veränderung.
- Wenn du merkst, dass deine Bedürfnisse sich verändert haben und eine Vollzeit-Selbstständigkeit dem (aktuell) nicht mehr gerecht wird, dann ist es super stark und smart, wenn du darauf hörst und dich nach neuen Möglichkeiten umschaust, für dich und deine Bedürfnisse zu sorgen.
- Es gibt nicht nur „Entweder Oder“, „Schwarz oder Weiß“. Es muss nicht nur „Vollzeit selbstständig oder Vollzeit angestellt sein“ – es gibt sooo viele Konzepte dazwischen und alle sind gleich gut und richtig – solange es zu dir passt. Du kannst auch nur eine Teilzeitstelle suchen und nebenher weiter selbstständig sein. Und selbst wenn du dich entscheidest, die Selbstständigkeit erstmal komplett zu pausieren, muss das ja nicht für immer sein. Wer weiß, vielleicht eignest du dir in deiner neuen Festanstellung neue Skills, einen neuen finanziellen Puffer, oder oder oder an, um irgendwann wieder mit voller Power in Dein Business zu starten.
Wenn du mit dem Gedanken spielst, schreib dir einfach mal auf, was dir wichtig ist: Wie viele Stunden würdest du in Festanstellung arbeiten wollen? Wie viele Tage würdest du ins Büro wollen? Ist die Option auf Home Office Voraussetzung für dich? Usw.
Und dann fang einfach mal an, dich umzuschauen. Bei mir ging es super schnell und ich hätte niemals damit gerechnet, eine Firma zu finden, die so viele Punkte von dem mit bringt, was mir wichtig ist. Außerdem gibt es ja immer die Probezeit – was hast du also zu verlieren?
Denn das hat mir auch am meisten die Sorge genommen: Hätte ich nach wenigen Monaten gemerkt, dass die Stelle doch nichts für mich ist, hätte ich ja einfach wieder gehen können und niemand hätte davon erfahren. Nach außen hin war ich ja weiter selbstständig. Also die Sorge um eine Lücke im Lebenslauf oder die Frage „Warum waren Sie bei dem Arbeitgeber nur so kurz?“ fällt bei uns ja auch weg. 😉
Steffi: Wie geht es für dich weiter? Hast du Pläne?
Jenny: Steffi, das ist das Verrückte, was ich nach über 6 Jahren Vollzeit-Selbstständigkeit erstmal wieder lernen musste, anzunehmen und zu genießen: ich habe gerade keine großen Pläne. Ich bin aus dem „Höher, Schneller, Weiter“-Hamsterrad der Selbstständigkeit ausgestiegen und genieße (nach einiger Übung) vor allem einfach nur das Jetzt.
Klar, in meiner Festanstellung haben wir Pläne und Ziele, die ich in meiner Position verfolge (hier wird meine Proaktivität und mein Engagement, das ich aus dem Business mitbringe, übrigens sehr geschätzt).
Aber in meiner Selbstständigkeit gehe ich momentan ganz entspannt einen Schritt nach dem anderen. Ich habe bereits einige Kund*innen, mit denen ich gerade ihre Websites mit den WEBSITEtemplates umsetze (die haben mich gefunden, bevor ich überhaupt launchen konnte). Und parallel dazu launche ich jetzt ganz in Ruhe und offiziell das WEBSITEtexte Workbook und die WEBSITEtemplates. Und das darf sich dann erstmal festigen, bevor ich über weitere große Schritte nachdenke.
Jenny Jaumann, Webdesignerin
Seit 2018 bin ich als Webdesignerin selbstständig und erstelle für meine Kund*innen individuelle Websites mit WordPress und Elementor. Seit August 2023 bin ich außerdem wieder festangestellt und führe mein Business nun nebenberuflich und mit viel mehr Leichtigkeit. Dadurch konnte ich auch weitere Produkte wie WEBSITEtemplates und ein WEBSITEtexte Workbook entwickeln.